20.12.2024, 10:20 Uhr
„Wir dürfen uns die Begriffe nicht vergiften lassen!“
Sachverständigenanhörung zum Volksbegriff im Ausschuss für Verfassungsschutz
In der Sitzung am 9. Dezember widmete sich der Ausschuss der Frage, ab wann die Bezugnahme auf eine ethnische Zugehörigkeit als rechtsextremistisch einzustufen sei. Hierzu fand eine Anhörung mit Sachverständigen statt. Es wurde vor allem deutlich, dass eine grundsätzliche Bezugnahme auf Begriffe wie „Ethnie“ oder „Volk“ vollkommen unproblematisch ist. Erst eine bestimmte extremistische Zielrichtung kann die Verwendung der Begriffe in den Beobachtungsbereich des Verfassungsschutzes rücken. Dennoch wurden auch unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Fraktionen und Sachverständigen deutlich.
Der von den Koalitionsparteien eingebrachte Besprechungspunkt „Auswirkungen des Urteils des OVG Münster auf die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden: Unter welchen Voraussetzungen erfolgt aktuell die Einstufung als verfassungsfeindliche Bestrebung im Phänomenbereich des Rechtsextremismus und ab wann wird die Bezugnahme auf die ethnische Zugehörigkeit rechtsextremistisch?“ nahm einerseits Bezug auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai 2024, in dem der Verdachtsberichterstattung des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV) über die AfD stattgegeben wurde. Andererseits findet der Besprechungspunkt seinen Ausgang in der Präsentation des Berliner Verfassungsschutzberichtes 2023 im September dieses Jahres und der in deren Rahmen geführten Debatte.
Das Urteil aus Münster beschreibt in seiner Begründung die Bewertung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs unter anderem als kontext- und intentionsbezogen (link, hier: S. 61). Der Begriff sei im „Rechtssinn weder richtig noch falsch“, sondern eine von persönlichen Wertungen abhängige Zustandsbeschreibung. Eine ethnisch-kulturelle Gruppe sei „nicht objektiv bestimmbar.“ Zudem könnten bei der Betrachtung des Begriffes „soziologische, ethnologische oder historische Differenzierungen“ einbezogen werden. Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar sei allerdings die Verknüpfung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird.Bei der Betrachtung der Berliner Verfassungsschutzberichte wurde wiederum deutlich, dass bei der Beschreibung rechtsextremistischer Ideologien noch keine begriffliche Klarheit besteht. Es wurden vielmehr immer wieder leichte Anpassungen vorgenommen (Berichte hier abrufbar). Auch bei den Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz ist dies der Fall.
Demnach handelt es bei Begriffen wie „Ethnie“, „Kultur“ oder „Volk“ grundsätzlich um schwer bestimmbare Ausdrücke, die zudem inhaltlich dem gesellschaftlichen Diskurs ausgesetzt sind. Zudem ist zu beobachten, dass es eine gängige Strategie des rechtsextremen Milieus ist, diese Begriffe zu kapern und somit die Verwendung durch eine bürgerliche Mitte zu erschweren versuchen. Letztlich hat dies zur Folge, dass große Teile der Bevölkerung verunsichert sind, ob die Verwendung bestimmter Begriffe überhaupt noch statthaft ist. Als Fachpolitiker für Verfassungsschutz ist es mir stets ein Anliegen, Begriffsklarheit bei der Betrachtung von Extremismus herzustellen. Dies ist einerseits wichtig für die parlamentarische Aufgabe der Kontrolle des Verfassungsschutzes, der nur innerhalb bestimmter Grenzen tätig werden darf. Andererseits und gerade bei diesem gesellschaftspolitischen und oft emotional aufgeladenen Thema ist es für eine Demokratie essenziell, den Abgleich zwischen exekutivem Handeln und der Bevölkerung zu suchen. Politik muss erklärt und die Kategorien, mit denen eine wehrhafte Demokratie arbeitet, müssen in regelmäßigen Debatten geklärt werden. Letztlich muss dabei immer sichergestellt bleiben, dass das Verständnis bestimmter Begriffe und Kategorien auch von der Bevölkerung nachvollzogen und getragen wird.
Um diesem Ziel beizukommen und die Debatte fachlich anzureichern, haben wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner den Besprechungspunkt mit Sachverständigenanhörung auf die Tagesordnung gebracht. Als Sachverständige waren anwesend: Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis, Rechtsanwalt und Emeritus der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Hendrik Hansen, Professor für politischen Extremismus und politische Ideengeschichte an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und Rechtsanwalt Herr Chan-jo Jun.
Der Tagesordnungspunkt wurde durch die Stellungnahme des Senats durch Staatssekretär Hochgrebe eröffnet. Er stellte für die Arbeit des Verfassungsschutzes insbesondere die in unserer Freiheitlich Demokratischen Grundordnung niedergelegten Verfassungsprinzipien Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip als maßgeblich heraus. Insbesondere hob er die Einlassungen des OVG Münster zur Betrachtung von Menschenwürde hervor.
In der Anhörung ertragreich waren zunächst die Ausführungen von Prof. Hansen. Er stellte unter anderem fest, dass bereits der Begriff der „Demokratie“ als „Volksherrschaft“ durch das Vorhandensein eines Volkes konstituiert werde. In demokratischen Herrschaftsformen müssen politische Entscheidungen auf einen Volkswillen zurückgeführt werden. Demnach ist Demokratie undenkbar ohne Volk. Gleichzeitig gilt auch, dass in unserer pluralistischen Demokratie nicht von der Fiktion eines homogenen Volkswillens ausgegangen werde. Politik ergebe sich aus Mehrheitsentscheidungen und diese seien das Ergebnis eines politischen Wettbewerbs. Ebenfalls setze eine pluralistische Gesellschaft immer auch eine Übereinstimmung der Bürger über die Grundwerte und Verfahrensregeln des politischen Gemeinwesens voraus. Diese vom Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel als „Minimalkonsens“ bezeichnete Übereinstimmung kann unterschiedlich zustande kommen. Dabei gibt es zwei idealtypische Varianten, die in der Realität meist als Mischformen auftreten: das Bewusstsein über geteilte Erfahrungen und gemeinsame Herkunft einerseits und das Bekenntnis zu einer Verfassung andererseits. Das Verständnis des Begriffs Volk und der Minimalkonsens müssen somit in Gleichklang gebracht werden, um eine pluralistische Demokratie wie die unsere stabil zu halten.
Ganz entscheidend für die Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit eines ethnischen Volksverständnisses sei es nun, die Zugehörigkeit nicht biologisch zu begründen, sondern Herkunft im Sinne der Prägung durch die Gemeinschaft, die Sprache und die geteilte Geschichte zu begreifen. Diese Offenheit sei gleichsam auch der wesentliche Unterschied zu einem rassischen Volksbegriff, der die Ideologie des Nationalsozialismus prägte. Den politikwissenschaftlichen Beobachtungen von Prof. Hansen zu Folge sei es immer wichtig, diese Begrifflichkeiten klar zu trennen, zumal sie in der öffentlichen Debatte vermischt oder instrumentalisiert würden.
Die Anmerkungen von Prof. Battis richteten sich im Wesentlichen auf die Frage der Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsverfahrens. Er machte deutlich, dass etliche Äußerungen von AfD-Politikern gegen die Menschenwürde verstoßen würden. Rechtsanwalt Jun setzte in seinen Ausführungen darauf auf und verlegte sich auf die praktische Seite eines Verbotsverfahrens. So stellte er fest, dass man grundsätzlich Menschen deskriptiv einteilen oder unterscheiden, aber nicht abwerten dürfe. Weiterhin sei für ein Verbotsverfahren wichtig, dass ein „darauf ausgehen“, ein planmäßiges Vorgehen einer Bestrebung zur Änderung der Verfassungsgrundsätze vorhanden sein müsse, um im Sinne eines Verbots tätig werden zu können. Schließlich warf Jun die Frage der Zurechnung von Aussagen auf: Bei extremistischen Äußerungen von einzelnen Mitgliedern in parteipolitischen Kontexten müsse sich die Parteiführung distanzieren, um den Extremismusverdacht von der Gesamtpartei abzuwenden.
In meinen Ausführungen machte ich klar, dass ich ein großer Freund der Idee eines stabilen Minimalkonsenses bin. Dieser ist in der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung angelegt. Der Minimalkonsens darf jedoch nicht zu groß sein, um eine große Spannweite vertretbarer Meinungen zu ermöglichen. Denn diese Spannweite ist wesentlich in einer freien Gesellschaft. Zu einem breiten Meinungskorridor gehört auch, dass wir uns den Begriff des Volkes nicht vergiften lassen dürfen. Letztlich brauchen wir ihn auch als technischen Begriff auf den das Funktionieren unserer Demokratie angewiesen ist. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass ohne ein Minimum an ethnisch-kulturellen Gemeinsamkeiten weiter Teile des Staatsvolkes ein Staat nicht über die erforderliche Stabilität verfügen kann. Hier schließe ich mich ausdrücklich den Ausführungen von Prof. Hansen an, der die grundsätzliche Offenheit und damit Integrationsfähigkeit eines legitimen ethnisch-kulturellen Volksbegriffes feststellt.
Trotz der guten und lebhaften Debatte blieb meines Erachtens weiterhin offen, ab wann genau eine ethnisch-kulturell bedingte Ungleichbehandlung eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Die Grenzverläufe müssen hier abgeklärt werden. Auch kritisch betrachte ich ein zu extensives Verständnis des Begriffs der Menschenwürde. Wir dürfen jedenfalls nicht dahin kommen, dass jede Diskriminierung sogleich im Verdacht steht, gegen die Menschenwürde zu verstoßen. Individualität, Integrität und Identität als Ausdifferenzierungen von Menschenwürde sind wichtige Kernpunkte. Sie müssen allerdings eng ausgelegt werden, um Freiheit und Gleichberechtigung in ein in unserer pluralistischen Gesellschaft mehrheitlich konsensfähiges Verhältnis zu bringen. Nur in Ausnahmefällen kann eine Ungleichbehandlung eine Verletzung der Menschenwürde begründen. Die Gestattung von gerechtfertigten Ungleichheiten ist meines Erachtens essentiell für den bürgerlichen Freiheitsbegriff. Frei getroffene Entscheidungen müssen immer auch zu Unterschieden führen können.
Ich danke allen Sachverständigen und Kollegen für die gute und faire Debatte! Auch weiterhin werde ich mich für Kriterien- und Begriffsklarheit einsetzen, denn Politik muss gerade bei strittigen und emotionalen Themen immer auch die Rückbindung an die Gesellschaft suchen.
Der betreffende Tagesordnungspunkt kann im Medienarchiv des Abgeordnetenhauses angesehen werden: link
Das Urteil aus Münster beschreibt in seiner Begründung die Bewertung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs unter anderem als kontext- und intentionsbezogen (link, hier: S. 61). Der Begriff sei im „Rechtssinn weder richtig noch falsch“, sondern eine von persönlichen Wertungen abhängige Zustandsbeschreibung. Eine ethnisch-kulturelle Gruppe sei „nicht objektiv bestimmbar.“ Zudem könnten bei der Betrachtung des Begriffes „soziologische, ethnologische oder historische Differenzierungen“ einbezogen werden. Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar sei allerdings die Verknüpfung eines ethnisch-kulturellen Volksbegriffs mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird.Bei der Betrachtung der Berliner Verfassungsschutzberichte wurde wiederum deutlich, dass bei der Beschreibung rechtsextremistischer Ideologien noch keine begriffliche Klarheit besteht. Es wurden vielmehr immer wieder leichte Anpassungen vorgenommen (Berichte hier abrufbar). Auch bei den Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz ist dies der Fall.
Demnach handelt es bei Begriffen wie „Ethnie“, „Kultur“ oder „Volk“ grundsätzlich um schwer bestimmbare Ausdrücke, die zudem inhaltlich dem gesellschaftlichen Diskurs ausgesetzt sind. Zudem ist zu beobachten, dass es eine gängige Strategie des rechtsextremen Milieus ist, diese Begriffe zu kapern und somit die Verwendung durch eine bürgerliche Mitte zu erschweren versuchen. Letztlich hat dies zur Folge, dass große Teile der Bevölkerung verunsichert sind, ob die Verwendung bestimmter Begriffe überhaupt noch statthaft ist. Als Fachpolitiker für Verfassungsschutz ist es mir stets ein Anliegen, Begriffsklarheit bei der Betrachtung von Extremismus herzustellen. Dies ist einerseits wichtig für die parlamentarische Aufgabe der Kontrolle des Verfassungsschutzes, der nur innerhalb bestimmter Grenzen tätig werden darf. Andererseits und gerade bei diesem gesellschaftspolitischen und oft emotional aufgeladenen Thema ist es für eine Demokratie essenziell, den Abgleich zwischen exekutivem Handeln und der Bevölkerung zu suchen. Politik muss erklärt und die Kategorien, mit denen eine wehrhafte Demokratie arbeitet, müssen in regelmäßigen Debatten geklärt werden. Letztlich muss dabei immer sichergestellt bleiben, dass das Verständnis bestimmter Begriffe und Kategorien auch von der Bevölkerung nachvollzogen und getragen wird.
Um diesem Ziel beizukommen und die Debatte fachlich anzureichern, haben wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner den Besprechungspunkt mit Sachverständigenanhörung auf die Tagesordnung gebracht. Als Sachverständige waren anwesend: Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis, Rechtsanwalt und Emeritus der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Hendrik Hansen, Professor für politischen Extremismus und politische Ideengeschichte an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und Rechtsanwalt Herr Chan-jo Jun.
Der Tagesordnungspunkt wurde durch die Stellungnahme des Senats durch Staatssekretär Hochgrebe eröffnet. Er stellte für die Arbeit des Verfassungsschutzes insbesondere die in unserer Freiheitlich Demokratischen Grundordnung niedergelegten Verfassungsprinzipien Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip als maßgeblich heraus. Insbesondere hob er die Einlassungen des OVG Münster zur Betrachtung von Menschenwürde hervor.
In der Anhörung ertragreich waren zunächst die Ausführungen von Prof. Hansen. Er stellte unter anderem fest, dass bereits der Begriff der „Demokratie“ als „Volksherrschaft“ durch das Vorhandensein eines Volkes konstituiert werde. In demokratischen Herrschaftsformen müssen politische Entscheidungen auf einen Volkswillen zurückgeführt werden. Demnach ist Demokratie undenkbar ohne Volk. Gleichzeitig gilt auch, dass in unserer pluralistischen Demokratie nicht von der Fiktion eines homogenen Volkswillens ausgegangen werde. Politik ergebe sich aus Mehrheitsentscheidungen und diese seien das Ergebnis eines politischen Wettbewerbs. Ebenfalls setze eine pluralistische Gesellschaft immer auch eine Übereinstimmung der Bürger über die Grundwerte und Verfahrensregeln des politischen Gemeinwesens voraus. Diese vom Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel als „Minimalkonsens“ bezeichnete Übereinstimmung kann unterschiedlich zustande kommen. Dabei gibt es zwei idealtypische Varianten, die in der Realität meist als Mischformen auftreten: das Bewusstsein über geteilte Erfahrungen und gemeinsame Herkunft einerseits und das Bekenntnis zu einer Verfassung andererseits. Das Verständnis des Begriffs Volk und der Minimalkonsens müssen somit in Gleichklang gebracht werden, um eine pluralistische Demokratie wie die unsere stabil zu halten.
Ganz entscheidend für die Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit eines ethnischen Volksverständnisses sei es nun, die Zugehörigkeit nicht biologisch zu begründen, sondern Herkunft im Sinne der Prägung durch die Gemeinschaft, die Sprache und die geteilte Geschichte zu begreifen. Diese Offenheit sei gleichsam auch der wesentliche Unterschied zu einem rassischen Volksbegriff, der die Ideologie des Nationalsozialismus prägte. Den politikwissenschaftlichen Beobachtungen von Prof. Hansen zu Folge sei es immer wichtig, diese Begrifflichkeiten klar zu trennen, zumal sie in der öffentlichen Debatte vermischt oder instrumentalisiert würden.
Die Anmerkungen von Prof. Battis richteten sich im Wesentlichen auf die Frage der Erfolgsaussichten eines AfD-Verbotsverfahrens. Er machte deutlich, dass etliche Äußerungen von AfD-Politikern gegen die Menschenwürde verstoßen würden. Rechtsanwalt Jun setzte in seinen Ausführungen darauf auf und verlegte sich auf die praktische Seite eines Verbotsverfahrens. So stellte er fest, dass man grundsätzlich Menschen deskriptiv einteilen oder unterscheiden, aber nicht abwerten dürfe. Weiterhin sei für ein Verbotsverfahren wichtig, dass ein „darauf ausgehen“, ein planmäßiges Vorgehen einer Bestrebung zur Änderung der Verfassungsgrundsätze vorhanden sein müsse, um im Sinne eines Verbots tätig werden zu können. Schließlich warf Jun die Frage der Zurechnung von Aussagen auf: Bei extremistischen Äußerungen von einzelnen Mitgliedern in parteipolitischen Kontexten müsse sich die Parteiführung distanzieren, um den Extremismusverdacht von der Gesamtpartei abzuwenden.
In meinen Ausführungen machte ich klar, dass ich ein großer Freund der Idee eines stabilen Minimalkonsenses bin. Dieser ist in der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung angelegt. Der Minimalkonsens darf jedoch nicht zu groß sein, um eine große Spannweite vertretbarer Meinungen zu ermöglichen. Denn diese Spannweite ist wesentlich in einer freien Gesellschaft. Zu einem breiten Meinungskorridor gehört auch, dass wir uns den Begriff des Volkes nicht vergiften lassen dürfen. Letztlich brauchen wir ihn auch als technischen Begriff auf den das Funktionieren unserer Demokratie angewiesen ist. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass ohne ein Minimum an ethnisch-kulturellen Gemeinsamkeiten weiter Teile des Staatsvolkes ein Staat nicht über die erforderliche Stabilität verfügen kann. Hier schließe ich mich ausdrücklich den Ausführungen von Prof. Hansen an, der die grundsätzliche Offenheit und damit Integrationsfähigkeit eines legitimen ethnisch-kulturellen Volksbegriffes feststellt.
Trotz der guten und lebhaften Debatte blieb meines Erachtens weiterhin offen, ab wann genau eine ethnisch-kulturell bedingte Ungleichbehandlung eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Die Grenzverläufe müssen hier abgeklärt werden. Auch kritisch betrachte ich ein zu extensives Verständnis des Begriffs der Menschenwürde. Wir dürfen jedenfalls nicht dahin kommen, dass jede Diskriminierung sogleich im Verdacht steht, gegen die Menschenwürde zu verstoßen. Individualität, Integrität und Identität als Ausdifferenzierungen von Menschenwürde sind wichtige Kernpunkte. Sie müssen allerdings eng ausgelegt werden, um Freiheit und Gleichberechtigung in ein in unserer pluralistischen Gesellschaft mehrheitlich konsensfähiges Verhältnis zu bringen. Nur in Ausnahmefällen kann eine Ungleichbehandlung eine Verletzung der Menschenwürde begründen. Die Gestattung von gerechtfertigten Ungleichheiten ist meines Erachtens essentiell für den bürgerlichen Freiheitsbegriff. Frei getroffene Entscheidungen müssen immer auch zu Unterschieden führen können.
Ich danke allen Sachverständigen und Kollegen für die gute und faire Debatte! Auch weiterhin werde ich mich für Kriterien- und Begriffsklarheit einsetzen, denn Politik muss gerade bei strittigen und emotionalen Themen immer auch die Rückbindung an die Gesellschaft suchen.
Der betreffende Tagesordnungspunkt kann im Medienarchiv des Abgeordnetenhauses angesehen werden: link
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