„Wir dürfen uns nicht den gemeinsamen Boden nehmen, auf dem wir stehen!“

Verfassungsschutzbericht 2024 auf der Tagesordnung

Die Bedrohung unserer freiheitlichen Demokratie ist weiterhin hoch und vielgestaltig – das zeigt der Verfassungsschutzbericht 2024 deutlich. Ich habe insbesondere auf die zunehmenden ideologischen Überschneidungen zwischen Linksextremismus und Ausländerextremismus hingewiesen. Auch habe ich die Notwendigkeit professioneller aber auch kontrollierter Sicherheitsarbeit aufmerksam gemacht. Gleichzeitig mahne ich Augenmaß bei der Anwendung von Extremismusbegriffen an, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren.

In der Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz am 2. Juni stand auf Antrag der Koalitionsfraktionen die Besprechung des Verfassungsschutzberichts 2024 auf der Tagesordnung. Die Sitzung fand im Beisein von Innensenatorin Iris Spranger und der stellvertretenden Leiterin der Abteilung II, Frau Vanoni, statt. Die alljährliche Besprechung des Verfassungsschutzberichtes im Ausschuss stellt einen wichtigen Bestandteil der Unterrichtung von Öffentlichkeit und Politik durch den Verfassungsschutz dar. Nur durch ein breit geteiltes Bewusstsein über aktuelle Gefahren für unsere Freiheitliche Demokratische Grundordnung kann unsere wehrhafte Demokratie Wirkung entfalten. Gleichzeitig kommt der Ausschuss hierdurch seiner parlamentarischen Kontrollfunktion nach: Auch die Arbeit einer professionellen Behörde wie dem Verfassungsschutz bedarf einer kritischen Betrachtung durch den gewählten Souverän, zumal es hier um weitreichende Befugnisse geht, mit denen unsere Verfassungsschützer ausgestattet sind.

Den Ausführungen von Senatorin Spranger zufolge sei insgesamt der Druck auf unsere Demokratie nicht kleiner geworden, vielmehr hätten die Gefährdungen in nahezu allen Phänomenbereichen zugenommen. Es sei beobachtbar, dass zunehmend auch ausländische Verfassungsfeinde die Aktivitäten inländischer Extremisten beeinflussen und flankieren würden. Ebenfalls wies die Senatorin darauf hin, dass sich das jährlich im Thema wechselnde Sonderkapitel im Bericht 2024 der zunehmenden, insbesondere vom salafistischen und rechtsextremistischen Milieu ausgehenden, Queerfeindlichkeit widme. Einen weiteren klaren Schwerpunkt mit starkem Einfluss auf die Sicherheitslage in Berlin setzte die Senatorin auf die Auswirkungen der Entwicklungen im Nahen Osten. Im Kern dessen stehe eine verfassungsfeindliche antiisraelische Szene, in der auslandsbezogener Extremismus, Linksextremismus und Islamismus zusammenlaufen würden.

Zu den einzelnen Phänomenbereichen ergänzte Frau Vanoni zunächst das gestiegene Personenpotential in den Bereichen Islamismus sowie die deutschlandweiten Gewaltanschläge. Auch hier sei die extremistische und antisemitische Rahmung durch internationale terroristische Organisationen beobachtbar. Dies geschehe gerade auch durch intensivierte Nutzung von Social Media als Propagandaplattform, gerichtet auf eine jugendliche Zielgruppe. Verjüngung des Milieus und Social-Media-Nutzung sei auch im Rechtsextremismus beobachtbar, wenngleich das Personenpotential in diesem Phänomenbereich im Jahr 2024 stabil geblieben sei. Im Phänomenbereich Linksextremismus seien im Jahr 2024 insbesondere antiisraelische und antisemitische Ideologieelemente prägend gewesen. Dies habe sich sowohl auf der Demonstration zum 1. Mai gezeigt, wie auch im Erscheinen neuer sogenannter militanter ökoanarchistischer Gruppierungen wie der Kampagne „Switch Off“, die Anschläge auf Industrieanlagen in Berlin verübten. Insgesamt sei das Personenpotential in der Berliner linksextremistischen Szene ebenfalls gestiegen. Weitere Ausführungen folgten zur Reichsbürgerszene und zur verfassungsschutzrelevanten Staatsdelegitimierung. Vervollständigt wurde der Bericht durch eine Darstellung der vielfältigen gegen unser Land und Gesellschaft gerichteten Maßnahmen Russlands.

In der Aussprache machte ich zunächst deutlich, dass die durch die Koalition im letzten Doppelhaushalt umgesetzte Stellenverstärkung der Abteilung II genau die richtige Maßnahme war angesichts der hier festgestellten gestiegenen Bedrohungslage. Weiterhin beobachte auch ich die starken Synergien und auch Überschneidungen, die sich zwischen den Bereichen Linksextremismus und Ausländerextremismus zeigen. Hier setzte ich den Impuls, weiterhin und ggf. auch stärker die Beobachtung der Szene zu betreiben. Ebenso würdigte ich grundsätzlich die Maßnahmen, die insbesondere in der Innenverwaltung im Bereich Prävention durchgeführt werden. Extremismusprävention und FDGO-Festigkeit sind wichtige Beiträge für den Bestand unserer freiheitlichen Gesellschaft.

Wie immer in diesen Ausschussdebatten wies ich darauf hin, dass wir bei der Anwendung von Extremismuskriterien stets Maß halten sollten. So darf es nicht passieren, dass durch Schwerpunktsetzungen – etwa auf Homophobie – der Eindruck entsteht, man könne sich durch Anhängerschaft eines traditionellen Familienbildes einem Extremismusverdacht aussetzen. Eine Entgegensetzung verschiedener Lebensentwürfe ist dem gesellschaftlichen Zusammenhalt gerade im aktuell polarisierten Klima nicht zuträglich. An die Opposition habe ich den Appell gerichtet, dass man zwar nicht immer gut finden müsse, was die anderen gut finden. Aber wir müssen es in der Regel im Rahmen der Meinungsfreiheit aushalten. Denn in einer freiheitlichen Gesellschaft dürfen wir uns durch eine Weitung des Extremismusbegriffs und damit durch eine Verengung des Sagbaren nicht den Boden nehmen, auf dem wir gemeinsam stehen.

Ich halte es für gut und wichtig, diese Debatten immer wieder zu führen und auch zu betrachten, wie sich die Arbeit von Verfassungsschutzbehörden verändert. Es ist wichtig, zeitgemäß und gut ausgestattet den Feinden unserer Gesellschaftsordnung zu begegnen. Gleichzeitig müssen wir stets wachsam sein, hier auch wirklich nur die Feinde zu treffen und trotz guter Intentionen uns am Ende nicht der Freiheit zu berauben, die unser Land so lebenswert macht. Ich danke den Angehörigen der Abteilung II – unseres Berliner Verfassungsschutzes – für Ihre wichtige und anspruchsvolle Arbeit!

Der aktuelle wie auch die vergangenen Verfassungsschutzberichte können hier (link) heruntergeladen werden.

Die Ausschusssitzung ist im Archiv des Abgeordnetenhauses nachzuverfolgen, meine Redebeitrage hier: